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Kleine Wahlkampfpause für unsere Projekte: Begegnungen im April 2011

By April 12, 2013Fahrtberichte

„Was Ihr gegeben habt, sollt Ihr 3-fach zurückbekommen“

Im April war eine bunte Gruppe von uns in der Republik Moldau: Drei Rumänen (Alexandra Boisnard und Ana und Alexandru Palcu), zwei Deutsche (Felix Wolf und Sascha Goretzko) und ein Moldauer (Eugeniu Plesca) haben unsere Arbeit vorangebracht. Diesmal waren wir mehr im direkten Kontakt mit hilfsbedürftigen Menschen und haben uns weniger um große Projekte gekümmert. Warum das so war, erklärt Sascha:

 

Alte Probleme, neue Bürgermeister

In den letzten Jahren wurden die Bürgermeister der Dörfer, in denen wir tätig sind, zu immer wichtigeren Partnern. Anschaffungen für Schulen, Reparaturen in Kindergärten, kleine Infrastrukturprojekte: Wir können und wollen nicht an den Rathäusern vorbei tätig werden. Mehr noch: Wenn wir in staatlichen Einrichtungen helfen, verlangen wir nach Möglichkeit auch einen Eigenanteil von den Kommunen.

Im April haben wir in verschiedenen Einrichtungen wieder über zahlreiche Probleme beratschlagt. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht der Kindergarten in Chioselia, der sehr heruntergekommen war. Neue Fenster und Außentüren haben wir schon einbauen lassen, um die Heizung wollte sich der Bürgermeister kümmern. Er ist auch tätig geworden, aber der Erfolg war mäßig. Mit seinen bescheidenen Mitteln hat er versucht, das bestehende System wieder flott zu machen. Aber eigentlich müsste alles komplett erneuert werden: Heizkessel, Rohre und Heizkörper. Das wäre für uns
vielleicht sogar finanzierbar, muss aber gut geplant werden.

Im Juni fanden nun Kommunalwahlen statt. Für solche großen Projekte bedeutet dies eine Pause. Wer weiß, wer der nächste Bürgermeister wird? Können wir vertrauensvoll mit ihm zusammenarbeiten?

Und tatsächlich: Alle uns bekannten Bürgermeister sind nicht wiedergewählt worden. Auf unserer nächsten Fahrt werden wir also erst mal bei den neuen Bürgermeistern anklopfen und uns gegenseitig vorstellen. Und wir hoffen sehr, in ihnen gute Partner zu finden, mit denen wir – wie in den vergangenen Jahren – einiges für die Bevölkerung erreichen können.

Sascha Goretzko

 

Medizinische Hilfe in Moldova

Als gebürtige Rumänin, die mit 20 Jahren in Deutschland angefangen hat Medizin zu studieren, bin ich mit gemischten Gefühlen in die Republik Moldau gefahren. Wie jeder Auswanderer habe ich mich auf der einen Seite auf ein gewisses Heimatgefühl gefreut, da die moldauische Sprache und Kultur der rumänischen sehr nah ist. Andererseits hatte ich mich inzwischen an den westlichen Medizin- und Lebensstandard gewöhnt, kannte aber aus Rumänien und Deutschland die zahlreichen Vorurteile vor allem über die schlechte ökonomische und soziale Lage in der Republik Moldau. Ich war also sehr neugierig und fest entschlossen, mich überraschen zu lassen.

Nach der Ankunft in Moldawien war unsere erste Station in Balti. Dort haben wir in einem Kindergarten, der für sehbehinderte Kinder spezialisiert war, sehr engagierte und offene Mitarbeiter erlebt. Sie waren gut mit dem Stand der Entwicklung von pädagogischen Ansätzen und Konzepten – vergleichbar denen in Westeuropa – vertraut und haben auf finanzielle Hilfen gehofft, um diese guten Erziehungskonzepte umzusetzen. Wir konnten den engagierten Mitarbeiter immerhin 850 Euro für dringende Baumaßnahmen und pädagogisches und medizinisches Material überreichen.

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Balti: Im Kindergarten für sehbehinderte Kinder

Nach der Fahrt Richtung Süden haben wir gleich mit den Krankenbesuchen in Costangalia und Chioselia begonnen, auf die ich mich so ungeduldig gefreut hatte. Zunächst haben wir das Mädchen Veronica besucht, von dem wir schon im letzten Jahr berichtet haben. Sie hat uns lächelnd empfangen, aber inzwischen fallen ihr die noch bevorstehenden Operationen nicht mehr so leicht. Sie muss aber weiterkämpfen, da es für Behinderte, wie Veronica, in den Dörfern Moldawiens na-hezu keine Entwicklungschancen gibt. Insbesondere die mangelhaft ausgebaute dörfliche Infratruktur ist das größte Hemmnis; mit einem Rollstuhl wäre es für sie gerade möglich, sich durch den Hof zu bewegen, auf den Straßen hingegen kommt man wegen des Schlamms und fehlender befestigter Wege nicht weiter.

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Die kleine Veronica mit ihrer Mutter

Denselben Gedanken hatten wir auch, als wir Vasile besucht haben. Er hat vor einem halben Jahr einen Schlaganfall erlitten und liegt seitdem ausschließlich in seinem Bett. In einer Rehabilitationsklinik hätte er bei dem Lähmungsbild, das nicht so fortgeschritten war, gute Chancen, wieder mobiler zu werden. In Moldawien ist dies aber nahezu fast unmöglich. Er hat immerhin einen Rollstuhl, der aber unbenutzt in der Wohnung steht.

Später haben wir die ältere Frau Veronica besucht, die vor einigen Wochen aufgrund eines Unterschenkelbruchs operiert werden musste. Jede Fahrt zu dem 70 Kilometer entfernten Krankenhaus ist ein „Abenteuer“, und sie musste sich wegen einer Infektion zweimal derselben Operation unterziehen. Das war umso kostenintensiver, da sie nicht krankenversichert ist. Aber Dank Ihrer Spenden konnten wir einen Teil der Behandlungskosten für Veronica übernehmen.

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Alexandra untersucht Frau Veronica

Zudem konnten wir zwei älteren Damen helfen, die unter so genannten „Wohlstandskrankheiten“ leiden. Hier sind insbesondere Diabetes mellitus und hoher Blutdruck zu nennen, die inzwischen auch in Moldawien verbreitet sind und wahrscheinlich zukünftig noch zunehmen werden. Paradoxerweise klingt der Begriff „Wohlstandskrankheit“ fehl am Platz, aber die genannten Krankheitsbilder lassen sich oft auf die ungesunde Ernährung zurückführen, vergleichbar wie in Deutschland. Jedoch im Gegensatz dazu, ist es in Moldawien viel schwerer, nötige Medikamente zu besorgen bzw. zu bezahlen und die damit einhergehenden Komplikationen rechtzeitig durch engmaschige Kontrollen zu erkennen. Das medizinische System funktioniert zwar ähnlich wie in Deutschland über einen Hausarzt, dagegen ist es aber viel umständlicher und verhältnismäßig kostspielig, Medikamente mittels eines Rezepts zu besorgen. Wir haben den beiden Damen Geld für die Medikamente übergeben, um diese möglichst unmittelbar von der Apotheke zu kaufen.

Wir hatten gleichfalls auch viele erfreuliche Erlebnisse. So haben wir in beiden Dörfern, die wir besucht hatten, sehr engagierte, offene und herzliche Sozialarbeiterinnen kennengelernt.

Die Verhältnisse vor Ort bieten einen unerwarteten Vorteil: Man kann mit sehr beschränkten Mitteln unglaublich viel erreichen, und das führt zu einer großen Motivation und Freude bei den Menschen, die in der Sozialarbeit tätig sind. Sie spüren, wie sich mit relativ wenig Geld und Mühe das Leben der Moldauer eindeutig verbessern lässt, und sie erhalten die wertvollste Belohnung: die tiefe Dankbarkeit der Hilfsbedürftigen.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Not und Armut hat keine Grenzen. Man erlebt einen Realitätsschock, aber die gleiche moldawische Realität (mangelnde Infrastruktur, Medikamentenverteilung, Landflucht jüngerer Menschen etc.) ist auch in Rumänien oder in anderen Staaten Osteuropas auf dem Land zu finden. Das jedoch in meiner eigenen Muttersprache zu erleben war für mich immer wieder ernüchternd und zeigt, dass Hilfe langfristig und kontinuierlich notwendig ist.

Alexandra Boisnard

 

Erste Erfolge in den Dörfern
beim Aufbau einer sozialen Infrastruktur

Schon in einem unser letzten Rundbriefe haben wir Ihnen von unserer Zusammenarbeit mit der Sozialassistentin im Dorf Costangalia berichtet. Der moldauische Staat hat in den vergangenen Jahren auf die große Armut in den Dörfern mit dem Aufbau einer sozialen Infrastruktur reagiert – wenn auch nur in sehr kleinen und zögerlichen Schritten. Inzwischen gibt es in fast jedem Dorf Mitarbeiter im Bürgermeisteramt – meist sind es Frauen –, die sich als Sozialassistenten um hilfsbedürftige und verarmte Menschen kümmern.

Im Frühjahr haben wir die engagierte Sozialassistentin Valea im Dorf Chioselia kennengelernt und waren von ihrer Arbeit und ihrem Engagement beeindruckt. Valeas Aufgabe ist es, bedürftigen Menschen beim Beantragen von Sozialhilfe, Kindergeld und anderen staatlichen Unterstützungen behilflich zu sein. Gerade alten Menschen fällt es oft schwer, die dafür notwendigen Anträge und Formulare auszufüllen und an die richtigen Stellen zu senden. Die Beantragung ist bürokratisch, und oft muss Valea Überzeugungsarbeit leisten, damit die Menschen diesen Schritt gehen.

Die Zurückhaltung ist verständlich, denn die staatliche Unterstützung fällt am Ende meist sehr gering aus – sofern sie überhaupt gewährt wird. Problematisch ist laut Valea vor allem, dass bei Besitzern von Ackerland – und fast jede Familie besitzt einige weniger Hektar – ein fiktives Einkommen aus der Bewirtschaftung des Ackers auf die Sozialhilfe angerechnet wird. Allerdings liegt dieses fiktive pauschale Einkommen weit über dem realen Erlös aus dem Boden.

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Chioselia: Alexandra mit der Sozialassistentin Valea

Aber auch wenn die staatliche Unterstützung durch derartige Bestimmungen oft sehr gering ausfällt: Wir sind sehr froh darüber, mit der Sozialassistentin Valea überhaupt eine Ansprechpartnerin im Dorf zu haben, die die Situation vieler Familien sehr gut kennt und uns direkt zu den Menschen bringen kann, welche Hilfe am Nötigsten haben. Zudem hat Valea ihre eigenen unkonventionellen Methoden, um den Menschen langfristig zu helfen.

Zusammen mit Valea haben wir Oxana kennengelernt, eine junge verheiratete Mutter mit zwei leiblichen Kindern. Oxanas Schwester hatte bereits fünf kleine Kinder, als sie sich auf Grund der Armut ihrer Familie entschied, für einige Zeit zum Arbeiten ins Ausland zu gehen. Seitdem gilt sie als vermisst, und niemand im Dorf weiß, was aus ihr geworden ist. Oxana, im Alter von 27 Jahren, zieht nun neben ihren beiden eigenen Kindern auch die fünf Kinder ihrer verschollenen Schwester mit auf.

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Oxana (links) mit den sieben Kindern vor dem neuen Haus

Bis vor kurzem wohnte sie mit ihrem Mann, den sieben Kindern und der Großmutter in einem viel zu kleinen baufälligen Haus. Die Zustände waren unhaltbar, wie uns die Sozialassistentin schilderte. Valea hat dann in Absprache mit der Familie monatlich einen Teil des Kindergeldes und der Sozialhilfe einbehalten, so dass nach einem Jahr schon ein kleiner Betrag angespart war und ein größeres Haus im Dorf gekauft werden konnte. Auch an diesem ist noch viel zu machen, aber erstmal haben Eltern und Kinder genügen Platz zusammen unter einem Dach. Gerne wollen wir die Familie bei den weiteren Baumaßnahmen und der Einrichtung des Hauses mit Betten und Möbeln unterstützen.

Valea kennt viele Familienschicksale und begleitet und unterstützt die Menschen vor Ort – weit über ihre eigentliche Arbeitszeit hinaus. Auch für uns ist sie eine große Hilfe: Dank ihrer Unterstützung konnten wir in diesem Jahr zum ersten Mal Stipendiaten im Dorf Chioselia kennenlernen und auswählen.

Felix Wolf

 

Stipendienprogramm:
Chrismon-Artikel ein toller Erfolg

Im Februar 2011 wurde die Moldovahilfe und unser Stipendiumprogramm im evangelischen Magazin Chrismon vorgestellt. Die Resonanz hat alle unsere Erwartungen übertroffen.

In kurzer Zeit haben wir Rückmeldungen von Menschen aus der ganzen Bundesrepublik erhalten. Sie wollen unsere Arbeit oder bereits ganz konkret junge Menschen aus der Republik Moldau bei ihrem Ausbildungsweg begleiten und sie dabei unterstützen. Mit diesen Zusagen im Gepäck konnten wir im April in die Republik Moldau fahren. Telefonisch hatten wir unsere Partner bereits informiert. So konnten sie die Jugendlichen der Abschlussklassen in Chioselia und Costangalia schon im Vorfeld über die Möglichkeit eines Stipendiums informieren.

Mit den Schuldirektoren, Klassenlehrerinnen und den Sozialassistentinnen vor Ort konnten wir direkt in die Auswahl der Stipendiaten einsteigen. Kriterien für die Auswahl war neben der schulischen Eignung und der Befähigung/Motivation für eine weitere Ausbildung insbesondere die soziale Situation, also etwa Abhängigkeit von Sozialhilfe, Eltern ohne Einkommen, Anzahl der Geschwister, Familienangehörige im Ausland, etc.

Neben den Schulabgängern werden nun auch junge Moldauer unterstützt, die sich bereits in einer Ausbildung befinden. Durch Finanznöte sind immer wieder Studenten und Auszubildende gezwungen, ihre Ausbildung abzubrechen. Auch hier setzen wir mit dem Stipendienprogramm an.

Zehn junge Menschen können sich nun auf die Unterstützung ihrer Ausbildung freuen. Erzieherin, Elektrotechniker, Kindergärtnerin, Buchhalterin, Köchin und Schneiderin sind die Traumberufe der Jugendlichen – mit denen sie gute Perspektiven in ihrem Heimatland haben. Wenn die Auswahlrunden an den Fakultäten und Ausbildungsbetrieben überstanden sind, können sie im Oktober mit ihrer Ausbildung beginnen. Sie stehen in den Startlöchern und können den Beginn in ihren neuen Lebensabschnitt kaum erwarten.

Felix Weickmann

 

Ein Haus für Andrei, Ana und ihre Familie

Im letzten Jahr haben wir von der besonders armen Familie von Andrei und Ana berichtet, die in einem Lehmverschlag „wohnte“. Dank einiger Spender, die speziell für diese Familie Geld gegeben haben, konnte der Priester Sava für 3.000 Euro ein Haus in Baimaclia kaufen.

Im April haben wir uns das Haus angesehen: Die Bausubstanz ist ordentlich, und es gehört auch ein großer Garten dazu. Das Geld wurde bestmöglich verwendet. Allerdings muss noch viel Arbeit in das Haus reingesteckt werden – es stand einige Jahre leer. Aber die Familie ist fleißig und wird auch das schaffen!

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Wir danken im Namen der Familie allen Spendern ganz herzlich, dass hier so schnell und so nachhaltig geholfen werden konnte!

Sascha Goretzko

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