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Fahrtbericht Frühjahr 2023

By April 21, 2023Fahrtberichte

Liebe Freund:innen der Moldovahilfe,

die Fahrt im Frühling dieses Jahres führte mich in die Anfänge meiner Reisen in die Republik Moldau.

Doch kurz von vorne angefangen.

Wir hatten unseren Flug in die Republik Moldau schon lange gebucht. Doch zwei Wochen vor Abreise stellte die Fluggesellschaft die Flüge zum Zielflughafen Chişinau ein. Es war ihnen zu unsicher geworden, nachdem eine russische Rakete in den Luftraum der Republik Moldau eingedrungen war. Kurze Aufregung, am Ende fanden wir eine andre Verbindung und konnten dennoch fliegen.

Das kleine Land, welches mehreren Nationaltäten beheimatet und schon immer zwischen Annäherung an West oder Ost schwankte, ist durch den Krieg in der Ukraine noch mehr gespalten. Zwar besteht aktuell eine pro-westliche Regierung, die März 2022 einen Antrag auf  Eintritt in die EU einreichte, und die Präsidentin Maia Sandu ist in den westlichen Medien gut angesehen, in der eigenen Bevölkerung hat sie jedoch einen schweren Stand. Ihre Amtszeit ist durch die Auswirkungen des Ukrainekrieges erschwert. Es herrscht u.a. eine Inflation von ca. 25% und die Gaspreise sind sehr hoch. Uns wird gesagt, sie solle doch im Land bleiben und hier die Probleme lösen statt so viel in der Außenpolitik mitzumischen bzw. mit Putin sprechen und bessere Konditionen für das Gas aushandeln.

Auf der anderen Seite steht das  pro-russischen Bündnis, u.a. die Șor-Partei (ausgesprochen „Schor“). Sie ist benannt nach dem zur Zeit im Ausland lebenden Ilan Șor, der 2014 in einen Bankenskandal verwickelt war, bei dem das Land und seine Bevölkerung sehr viel Geld verlor. Damals sprach man vom „Milliardenraub“. Die Șor -Partei betreibt Lebensmittelläden in der Stadt und fährt mit Verkaufswägen auf die Dörfer, um Brot und Weiteres zu verbilligten Preisen anzubieten. Einige Stimmen spötteln: wer damals dem Land so viel Geld gestohlen hat, kann nun natürlich billig Brot verkaufen. Doch als der Verkaufswagen in Coştangalia ankommt, herrscht reger Andrang.

Wie wir im letzten Bericht erzählten, arbeitet seit vergangenem Herbst die Moldovahilfe mit dem ukrainischen Verein „Haus der Hoffnung“ zusammen, der eine Flüchtlingsunterkunft als Erstanlaufstelle in dem moldauischen Ort Ciobalaccia betreibt. Wir konnten den Einbau einer Heizung finanzieren und nun auch die Unterstützung für Heizmaterial und Lebensmittel. Der Krieg in der Ukraine ist nach einem Jahr leider noch lange nicht vorbei. Unverändert kommen Flüchtende an.

Das ist die Gegenwart. Aber auf dieser Fahrt traf ich Dorfbewohner und ihre Geschichten wieder, die vor 2o Jahren begannen.

Warum Inga Tränen in den Augen hat und wie Tudor mich ohne Beine mit dem Auto durch das Dorf fährt

Valentina Axenti, die Sozialassistentin, stellt uns in Absprache mit der Schule neue Jugendliche für das Stipendiumprogramm vor. Bei einem Namen horche ich auf. Die Mutter des Mädchens heißt Inga. Das ist hier vor Ort ein nicht so häufiger Vorname. Tatsächlich kenne ich Inga. Vor 20 Jahren habe ich die damals 18-jährige Inga das erste Mal getroffen. Sie litt an einer Infektion durch den Hundebandwurm, der Leber und Lunge befallen hatte, lag fiebernd im Bett und bekam schlecht Luft. Sie war bereits einmal operiert worden und die Familie hatte ihre Kuh verkauft, um genug Geld für weitere Therapien zu bekomme, aber das Geld reichte nicht. Kurz zusammengefasst, fuhren wir damals Inga in die Hauptstadt und kümmerten uns, dass sie gut operiert wurde. So hat sie überlebt.

Den ausführlichen Bericht, den ich damals in einem Freundesbrief schrieb, kann hier nachgelesen werden: www.moldovahilfe.de/inga

Ich freue mich sehr, sie wiederzusehen. Inga freut sich auch. Sie ist sehr bewegt und hat Tränen in den Augen. Jetzt ist ihre älteste Tochter 16 Jahre alt und wird durch das Stipendienprogramm unterstützt, in der Stadt Cahul auf das Coleg zu gehen und zur Erzieherin ausgebildet zu werden.
Im Jahr 2011 begannen wir mit dem Stipendienprogramm, nachdem wir mitbekamen, dass Jugendliche nach der 9.Klasse auf der Volksschule keine finanziellen Möglichkeiten hatten, um auf weiterführende Schulen zu gehen. Denn solche gibt es nicht auf den kleinen Dörfern, sondern die jungen Menschen müssen zwangsläufig in die nächste Stadt ziehen. Das kostet Geld. Seitdem haben unsere Sponsor:innen 106 junge Leute finanziell unterstützt! Davon haben 94 % ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen.

 

Einen Tag später habe ich ein weiteres wunderschönes Wiedersehen. Beim Gang durch das Dorf treffe ich Tudor Munteanu wieder. Ebenfalls vor 20 Jahren sah ich ihn zum ersten Mal. Er hatte damals eine Entzündung im Bein. Das Bein musste amputiert werden. Im Folgejahr sah ich ihn mit nur einem Bein. Dann hörte ich, dass auch sein zweites Bein amputiert werden musste. Einige Jahre später beobachtete ich, dass seine Frau Vera in das Sozialzentrum kommt, um Essen abzuholen. „Ach“, dachte ich traurig, „nun ist sie wohl verwitwet“. Doch ich hatte mich glücklicherweise geirrt! Diesen März besuchte ich das Haus des Ehepaares und traf Vera und Tudor. Letzteren im Rollstuhl sitzend und ohne Beine, aber ansonsten sehr gesund. Er hatte sogar in den letzten Jahren sein Auto so umgebaut, dass er es ohne Beine fahren kann. Er kann Gas geben, Bremsen und Kuppeln mit Schaltern, die er mit den Händen bedient. Tudor fährt mich mit seinem Auto durch das Dorf zum Sozialzentrum.

Dort ist Kirill angekommen. Als wir vor über 20 Jahren das Dorf kennenlernten, hatte er gerade seine Enkelkinder zu Hause aufgenommen, da die Eltern zum Arbeiten ins Ausland gegangen waren. Die Enkel sind längst erwachsen und wohnen zum Teil in Italien. Kirill ist nun häufig im Sozialzentrum. Kinder und Enkelkinder im Ausland zu haben ist eine sehr übliche Realität für viele der Besucher im Sozialzentrum.

Deswegen ist es ein so wichtiger Treffpunkt für die Senioren im Dorf. Egal, ob sie ihr Essen aus der Sozialküche holen oder an sonstigen Aktivitäten teilnehmen. Es fördert das Miteinander.

Kontakte mit den Kindern im Ausland haben fast alle über das Handy per Messenger-Diensten wie WhatsApp oder Viper. Da nicht wenige Senioren kein Internet zu Hause haben, kommen sie auch in das Sozialzentrum, um hier über die Computer und WLAN mit ihren Angehörigen im Ausland kommunizieren zu können.

Liebe Sie Alle, die Sie uns unterstützen: Dank Ihnen können wir seit so vielen Jahren mit unseren Partnern vor Ort in der Republik Moldau zusammenarbeiten. Dank Ihrer Beständigkeit können wir beständig sein. Vielen, vielen Dank!

Und gleichzeitig: Spenden Sie weiter!

Für die Flüchtenden aus der Ukraine,

übernehmen Sie ein Stipendium (bitte melden Sie sich unter naundorf@moldovahilfe,

spenden Sie zweckungebunden für das Sozialzentrum, Infrastrukturhilfe, weiter Projekte, Medikamentenfonds und so vieles mehr….

Ihre

Susanne Naundorf

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