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Lernen via Bildschirm

By November 13, 2021Fahrtberichte

Liebe Freunde der Moldovahilfe,

fällt Ihnen etwas auf? Gucken Sie mal nach oben links. Dort wo früher „Evangelische Moldovahilfe Berlin e.V.“ stand, steht nun nur noch „Moldovahilfe e.V.“. Unser Verein hat nämlich seinen Namen geändert. Was einmal mit einer Jugendgruppe einer evangelischen Gemeinde in Alt-Schargendorf startete, ist später zu einem Verein geworden. Über viele Jahre haben wir „evangelisch“ und „Berlin“ im Namen behalten und damit unsere Geschichte im Namen getragen. Sowohl die Entwicklung innerhalb der Kirche als auch der Standort Berlin bleiben uns wichtig. Sie umfassen aber nicht mehr vollständig, wer wir sind. Denn unsere Mitglieder sind nicht alle evangelisch, sondern auch katholisch, orthodox, baptistisch oder eben gar nicht religiös. Auch wohnen gar nicht alle von uns Berlin, sondern auch in Dresden, Münster oder Sibiu. Der Name „Moldovahilfe e.V.“ ist somit sowohl allgemeiner, aber auch passender.

Fahrtbericht Oktober: Online-Unterricht auf dem Dorf

Endlich wieder reisen, Menschen treffen, Erfahrungen machen. Die letzten zwei Jahre habe ich primär an meinem Schreibtisch sitzend und auf meinen Laptop starrend verbracht. Studieren ist eigentlich eine tolle Sache, die mir immer Spaß gemacht hat. Doch ohne den Austausch mit den Kommiliton:innen, den Weg in den Hörsaal, das Mittagessen in der Mensa und die außercurricularen Aktivitäten macht studieren keinen Spaß, sondern einfach nur Kopfschmerzen. Deswegen war ich sehr glücklich nach meinem Abschluss zusammen mit meiner Cousine Agnes endlich mal wieder in die Republik Moldau zu fliegen. Ganz besonders freuten wir uns auf die Begegnung mit unseren Stipendiat:innen. Da im Jahr 2020 niemand von unserem Verein in das Land einreisen durfte, kannten wir viele von ihnen noch gar nicht persönlich und waren neugierig auf ihre Berichte.

Tatsächlich schafften wir es 18 unserer aktuell 24 Stipendiat:innen zu treffen – so viele wie bisher noch auf keiner anderen Fahrt. Der Grund dafür war, dass sie nicht in den Wohnheimen in Cahul oder Chişinău, sondern wieder bei ihren Familien auf den Dörfern waren, denn der Unterricht findet seit Ende September online statt. Und ihre Berichte kamen mir irgendwie vertraut vor:

Valeriu Luca hat in diesem Jahr mit seiner Ausbildung zum Konditor in der Stadt Cahul begonnen. Das bedeutete für den Sechszehnjährigen den Umzug vom Dorf Țărăncuța in ein Studentenwohnheim in der Stadt Cahul. Leider wurde der Unterricht schon nach nur einem Monat von Präsenz auf online umgestellt. Seitdem der Unterricht nur noch online stattfindet, ist Valeriu wieder bei seiner Familie auf dem Dorf und verfolgt ihn über sein Smartphone. Auf diese Weise ist ein persönlicher Austausch mit seinen neuen Freunden natürlich nicht möglich. Auch lässt sich Konditorei nun wirklich schwer online erlernen.

stolzer Schüler

Viliam Oxenti hat 2020 begonnen eine weiterführende Schule mit Schwerpunkt in Informatik in Cahul zu besuchen. Bereits im ersten Schuljahr hatte viel Unterricht online stattgefunden. Dennoch hatte er es geschafft ein paar Freunde zu finden und ist sogar in das Basketballteam der Schule eingetreten. Deswegen hatte auch er gehofft, dass es in diesem Schuljahr wieder in Präsenz weitergeht. Doch auch er sitzt nun wieder zuhause im Dorf Chioselia und verfolgt den Unterricht über den kleinen Bildschirm seines Handys. Immerhin lässt sich Informatik auch online gut vermitteln. Doch Basketballspielen geht auf diese Art nicht. Ein Trost: Auf dem Dorf kann er mit seinem Motorrad herum fahren.

Viorica Ivancev ist bereits im letzten Jahr ihrer Krankenschwerstausbildung am medizinischen College. In diesem Jahr sollte es eigentlich besonders viele praktische Unterrichtseinheiten geben, um sie auf ihren zukünftigen Beruf vorzubereiten. Sie hofft stark, dass das nächste Semester wieder in Präsenz durchgeführt und der praktische Unterricht nachgeholt werden kann. Auch sonst ist es für sie schwierig zurück im Elternhaus ihrem Studium die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken. Da ihre Mutter im Moment im Ausland arbeitet, hat die Zwanzigjährige auch die Hausarbeit übernommen.

 

Agnes und ich lauschen all diesen Erzählungen und können gut nachvollziehen, wie wenig zufrieden stellend die Situation für die jungen Menschen ist. Ich kenne sie aus meiner Erfahrung in den letzten beiden Jahren. Agnes kennt als Lehrerin die andere Perspektive und weiß, dass es   sehr schwierig ist, wenn sich Lehrkräfte und Schüler:innen nur noch virtuell begegnen.

Ich wünsche all unseren Stipendiat:innen von Herzen, dass sie bald wieder in den Präsenzunterricht zurückkehren können. Denn die Erfahrung selbstständig im Wohnheim zu leben, neue Menschen kennen zu lernen und sich nach einer Unterrichtseinheit auszutauschen, lassen sich einfach nicht online simulieren. Auch ist auf diese Weise die Versuchung besonders groß, schon jetzt ins Ausland zu gehen und dort beispielsweise als Erntehelfer Geld zu verdienen.

Glücklicherweise findet zumindest der Unterricht an den Grundschulen in Präsenz statt und auch in unserem Sozialzentrum herrscht insgesamt normaler Betrieb. In der Woche unseres Besuchs sind gerade Herbstferien und deshalb besondere Aktivitäten geplant. Am Dienstag findet ein Herbstfest mit traditionellen wie auch modernen Tänzen statt. Am Donnerstag brechen alle Kinder zu einem Ausflug in den Wald auf. Etwa 20 Jungen und Mädchen freuen sich dort an einem Lagerfeuer, Folienkartoffeln und gemeinsamen Spielen. Wir sind begeistert – ebenso wie unsere beiden neuen Mitarbeiterinnen, die diese Aktivitäten mit Liebe planen.

„Toamne de Aur“ – der goldene Herbst wird gefeiert

Als wir uns verabschieden, sagt eine von Ihnen: „Danke für unser Gehalt“. Das macht uns etwas verlegen, denn es sind ja nicht wir, die ihnen das Gehalt bezahlen, sondern unsere Spender:innen, also Sie. Deswegen möchte ich den Dank auf diese Weise weiterleiten: Vielen Dank im Namen aller Kinder, Senior:innen und Mitarbeiter:innen für alle regelmäßigen Spenden, welche es uns ermöglichen die Gehälter im Sozialzentrum zu bezahlen.

Liebe Grüße

Astrid Naundorf