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Fahrtbericht September 2019

By Oktober 11, 2019Oktober 21st, 2019Fahrtberichte

Liebe Freunde der Moldovahilfe,

„Meine Damen und Herren, hier spricht Ihr Kapitän. Meine Name ist Max Müller und ich heiße Sie herzlichen Willkommen an Board des Fluges nach ….äähh…ksch…sch…ki…Chişinau (gesprochen: Kischinau). Da fliege ich heute zum ersten Mal hin. Uns wurde die Startbahn in Richtung Osten zugeteilt und das passt ganz gut, denn nach Osten müssen wir ja auch fliegen.“ So oder wenigstens so ähnlich startete meine Reise am Flughafen Frankfurt. Ein bisschen perplex war ich schon. Dachte ich doch, dass es selbst die Republik Moldau inzwischen oft genug in die Medien geschafft hätte, um ein wenig mehr Bekanntheit zu genießen. Aber gut, dem ist wohl nicht so. Auch wenn mein Pilot die Strecke scheinbar zum ersten Mal flog, hat er den Weg auf Anhieb gefunden, und wir sind sicher gelandet. Vom Flughafen ging es mit dem Mietauto gen Süden durch die spätsommerliche Landschaft, auf von unzähligen Walnussbäumen gesäumten Straßen. Vorbei an Menschen, die am Straßenrand die letzten Wassermelonen des Jahres verkaufen, auf den Feldern nach dem langsam reifenden Wein sehen oder fischend ihr Glück in einem der wenigen kleinen Seen versuchen. Irgendwann werden die Straßen schmaler, mehr und mehr Schlaglöcher fordern meine Aufmerksamkeit beim Fahren, und bald tauchen die Dörfer Chioselia und dahinter Coştangalia auf. Nach einer langen Reise bin ich angekommen, und eine intensive Woche voller Begegnungen und guter Gespräche konnte beginnen.

Unsere neue Köchin Irina bei der Arbeit

Das Sozialzentrum in Coştangalia
Es bleibt dabei: Der Laden läuft. Am ersten Tag fahre ich zusammen mit unserem Partner Valeriu und dem Übersetzer Andrei mit dem Auto über den Hügel von Chioselia nach Coştangalia. Schon bei der Einfahrt in den Ort wird linker Hand unser Sozialzentrum mit seiner blauen Fassade und dem in den Nationalfarben gestrichenen Giebel sichtbar. Die Tür steht bereits offen, und als wir über die Schwelle treten, werden wir von einer herzlichen und warmen Atmosphäre empfangen. Unsere Mitarbeitenden sind bereits fast alle im Zentrum angekommen und wuseln in angenehmer Harmonie umher: In der Küche bereitet unsere neue Köchin Irina, die als Elternzeitvertretung für ein Jahr bei uns arbeitet, das Mittagessen für die alten Menschen vor. Dabei assistiert Zina. Als helfende Hand im Hintergrund packt die überall an, wo Hilfe gebraucht wird, macht sauber und findet immer eine Gelegenheit, sich nützlich zu machen. Immer wieder kommt Ecaterina in die Küche. Sie bereitet gerade den Gemeinschaftsraum vor, denn schon bald kommen die ersten Senioren, die sich auf eine warme Mahlzeit, ein wenig Gesellschaft und die Möglichkeit freuen, sich oder ihre Kleidung waschen zu lassen. Im Nachbarraum begrüßt mich Natalia herzlich. Sie betreut nachmittags die älteren Jungen und Mädchen, die sich für traditionelle Handarbeiten interessieren. Gerade bereitet sie Stoffe vor. Dann kommt Pavel, der nachmittags Tischlern anbietet und gleichzeitig noch eine Art Hausmeister für das Zentrum ist. Pavel und Natalia tauschen sich oft und gern über ihre Angebote aus. Während wir vor uns hin plaudern und die neusten Neuigkeiten austauschen, kommen Maria und Vera zur Tür herein. Die beiden Frauen leiten die pädagogische Arbeit mit den Kindern der ersten bis vierten Klasse. Sie wollen die Zeit am späten Vormittag zur Vorbereitung nutzen. Die Kinder sollen nach der Erledigung der Hausaufgaben gleich anfangen können, zu basteln. Erst vor zwei Wochen hat das neue Schuljahr und damit auch das neue Jahr im Sozialzentrum begonnen. Doch das Team ist eingespielt und alles läuft wie am Schnürchen. Am späten Vormittag kommen nach und nach die Senioren, und schon bald flitzen auch die ersten Kinder umher – für die Jüngsten endet die Schule schon früh. Im Sozialzentrum summt und brummt das Leben wie in einem Bienenstock.

Sergiu und Mihai machen Hausaufgaben im Sozialzentrum

Die Angebote des Sozialzentrums sind so beliebt, dass es inzwischen einen Anmeldestopp geben musste. Die Räumlichkeiten, das Personal und auch die finanziellen Mittel reichen im Moment nicht aus, um mehr Kinder in das Nachmittagsprogramm aufzunehmen oder weitere Mittagsmahlzeiten für Senioren anzubieten. Auch in der Republik Moldau steigen Preise und Löhne – und damit auch die laufenden Kosten, die wie für den Betrieb des Sozialzentrums brauchen. Wir sind angewiesen auf finanzielle Unterstützung – sei sie noch so klein, doch stetig –, und möchten an dieser Stelle allen danken, die unsere Arbeit bereits durch ihre Beiträge fördern.

 

Nichtsdestotrotz: Empfehlen Sie uns gerne weiter! Wir sind dankbar für jede Spende!

Stipendienprogramm
Wie jedes Jahr bietet sich der Schuljahresanfang an, um von unserem Stipendienprogramm zu berichten. Als ich ankomme und die Woche plane, freue ich mich auf die Gespräche mit unseren Stipendiatinnen und Stipendiaten, denn es ist unglaublich beeindruckend, sie in dieser Lebensphase begleiten zu dürfen. Alina zum Beispiel lernte ich vor mehreren Jahren kennen, als sie gerade die neunte Klasse besuchte und von der Sozialassistentin ihre Dorfes als mögliche Stipendiatin vorgeschlagen wurde. Als ich sie daraufhin zu Hause besuchte, war sie schüchtern und zurückhaltend, versteckte sich geradezu hinter ihrer Mutter. So richtig wusste sie noch nicht, was sie nach der neunten Klasse machen wollte. Doch, vielleicht Mathelehrerin. Ihre Mathelehrerin sei toll. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich Gedanken machte, aber sich nicht traute, diese klar zu äußern. Was würde die Mutter davon halten? Die Mutter war selbst unsicher. Auch für sie war es eine aufregende Zeit, schließlich stand ihre gerade 16jährige Tochter kurz davor, das Haus zu verlassen. Jedenfalls würde sie mindestens unter der Woche im Wohnheim wohnen, das zur weiterführenden Schule gehört, und sich dort ein eigenes Leben aufbauen. Ein halbes Jahr später traf ich Alina wieder. Sie hatte sich für das Coleg entschieden, wo sie das Abitur mit dem Schwerpunkt Buchhaltung machen wollte. Nach Ablauf der vier Jahre würde sie also neben dem Abitur noch eine Ausbildung als Buchhalterin absolviert haben. Sie hatte einen klaren Plan: Da sie Zahlen mag, hat sie sich für diesen Schwerpunkt entschieden, und danach kann sie immer noch Mathelehrerin werden. In den folgenden Jahren treffe ich Alina immer wieder. Ihre anfängliche Schüchternheit legte sie mit der Zeit mehr und mehr ab. Sie ist und bleibt eine ruhige junge Frau, aber sie ist bestimmt und trifft selbstbewusst ihre Entscheidungen. In diesem Sommer hat sie die Abiturprüfungen gemacht und erzählt stolz davon. Nun hat sie noch ein Jahr, in dem sie ihre Ausbildung als Buchhalterin abschließt. Was sie danach machen wird? Da möchte sie noch nicht festlegen – gibt es doch weitaus mehr Möglichkeiten, als sie vor drei Jahren ahnte. Zunächst freut sich Alina auf ihr letztes Schuljahr und will es nutzen, sich in Ruhe Gedanken über ihre weitere Ausbildung zu machen. Es macht Spaß, sich mit Alina zu unterhalten und zu sehen, wie sie ihre Weg geht. Dank der Unterstützung ihrer Sponsoren ist es uns möglich, sie auf diesem Lebensabschnitt zu begleiten.

Alina (r.) zusammen mit unserer neuen Stipendiatin Olea vor der Schule

Für die Jugendlichen in der Republik Moldau ist es einerseits normal, mit nur 16 Jahren von zu Hause weg zu gehen, aber leicht ist es trotzdem nicht – weder emotional noch finanziell. Viele Familien können sich eine weiterführende Schule oder eine Ausbildung für ihr Kind nicht leisten: Schulgebühren, Unterkunft, Verpflegung, Transport, … all das ist einfach zu viel. Umgerechnet beläuft sich diese Summe auf nur 30 bis 80€ im Monat. Mit einem Stipendium können wir den Jugendlichen die weiterführende Schulbildung ermöglichen. Haben Sie Interesse ein Stipendium zu übernehmen? Sprechen Sie uns an: naundorf@moldovahilfe.de (Susanne Naundorf, Koordination Stipendien)

Barrierefreiheit
Inklusion. Ein großes, viel diskutiertes Wort. An der Umsetzung hapert es in Deutschland derzeit aus verschiedensten Gründen. Aber spätestens seit der Verabschiedung der UN Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 ist Inklusion ein Gesprächsthema. Ständig – in der Politik, in der Gesellschaft und besonders in Bildungseinrichtungen, weltweit. Vor einem Termin schaue ich spontan bei der Schulleiterin der Schule in Chioselia vorbei. Als angehende Sonderpädagogin interessiert mich das Thema Inklusion sehr, also frage ich die Direktorin, ob es an der Schule Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (egal in welchem Bereich) gebe. Die Antwort kam prompt: „Ja, natürlich“. Und gibt es eine sonderpädagogisch ausgebildete Lehrkraft? Ja, natürlich gebe es eine, allerdings könne sie sich um einige der Kinder nur stundenweise kümmern. Ok, denke ich, wie in Deutschland. Allerdings, so die Direktorin, würde es schwierig werden, wenn ein Schüler oder eine Schülerin auf einen Rollstuhl angewiesen wäre, denn im Schulhaus gebe es nur Treppen. Doch auch dann würden sie natürlich einen Weg finden, schließlich ist auch dieses Kind dann Teil der Schulgemeinschaft mit einem Recht auf Teilhabe am schulischen Leben. Eine Haltung, die mich beeindruckt und ich freue mich in der Direktorin eine Person zu finden, die allen Kindern einen Schultag ermöglichen möchte, an dem sie Freude haben und der ihren individuellen Bedürfnissen gerecht wird.
Zurück im Sozialzentrum treffe ich Valeriu, der erst herumdruckst, um dann mit der Sprache
herauszurücken:

„Wir würden gerne etwas bauen, aber das kostet etwas Geld… Es geht um eine
Rampe, und wie selbstverständlich erklärt er: „Weißt du, eigentlich kann man das
Sozialzentrum nur betreten, wenn man in der Lage ist Treppen zu steigen. Das kann
doch nicht sein; wir sind ein Haus für ALLE Menschen. Egal, wie gut sie die Stufen
bewältigen können. Also brauchen wir eine vernünftige Rampe. Die Baupläne
habe ich schon. Die Materialkosten und die Arbeitskraft kosten zusammen knapp
1.000€. Wir können sofort anfangen, nur das Geld fehlt.“

Ohne viel Diskussion steht fest: Das Haus soll offen für alle sein. Mit nur 1.000€ lässt sich das Sozialzentrum barrierefrei zugänglich machen! Eine Rampe für das Sozialzentrum soll unbedingt gebaut werden! Helfen Sie uns dabei, dieses Projekt so schnell wie möglich umzusetzen! Erzählen Sie gerne in Ihrem Bekanntenkreis von unserem Vorhaben – oder kennen Sie sogar Firmen, die uns unterstützen würden? Ermöglichen Sie uns den Bau der Rampe mit Spenden unter dem
Verwendungszweck „Rampe“!

Danke!
Zu guter Letzt möchte ich Danke sagen. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an unserer Arbeit und vor allem an den Menschen in der Republik Moldau. Ihre Anteilnahme bestärkt uns immer wieder aufs Neue. Danke, dass Sie unsere Rundbriefe lesen, unsere Projektideen finanziell unterstützen und unsere Arbeit auf diese Weise wertschätzen! Aktuelles aus unseren Projekten gibt es auch bei Facebook!
Danke, dass Sie unserem Aufruf des letzten Rundbriefes gefolgt sind und Gheorghe unterstützen. Der junge Familienvater braucht dringend eine Hüftoperation, die für ihn viel zu teuer ist. Viele Spenderinnen und Spender hat Gheorghes Schicksal berührt und es ist genug Geld zusammengekommen. Gheorghe kann eine neue Hüfte bekommen!
Im Namen unserer Freundinnen und Freunde in der Republik Moldau und dem gesamten Team der Evangelischen Moldovahilfe Berlin sende ich Ihnen

Viele herbstliche Grüße,

Agnes Bothe