Liebe Freunde der Moldovahilfe,
vor 30 Jahren wohnte Andreas Bodemann noch bei seiner Mutter im Herzen Schmargendorfs – in einer schönen Altbauwohnung in der Saßnitzer Str. 1. Diese Wohnung war eine „stille Zeugin“ der Anfangsjahre unserer Arbeit: Von hier aus ist Andreas 1985 zur ersten Fahrt nach Rumänien gestartet, von hier aus wurden die Aktivitäten unserer Anfangsjahre gesteuert.
Seit 1985 hat sich viel verändert – in der Welt, bei unseren Hilfsprojekten und natürlich auch bei uns persönlich. Da ist es schon etwas Besonderes, wenn wir Sie heute zu einem besonderen Abend an den Ort unserer Anfänge einladen können – in die Saßnitzer Str. 1, wo die Mutter von Andreas nach wie vor wohnt.
Moldovaabend
am Donnerstag, dem 19. November, um 19 Uhr
bei Frau Kleinke-Treeger, Saßnitzer Str. 1, 14199 Berlin (Schmargendorf)
Der Abend wird aber keine nostalgische Nabelschau; vielmehr wollen wir aus erster Hand unsere aktuellen Projekte und hier vor allem das Sozialzentrum in Costangalia vorstellen. Wir freuen uns sehr, dass wir das nicht alleine machen müssen: Mariana Sinigur, die pädagogische Leiterin des Sozialzentrums, und Natalia Moroeanu, die dort Kurse gibt, sind für zwei Wochen in Berlin und werden in Schmargendorf von ihrer Arbeit berichten.
Seien Sie also herzlich eingeladen zu einem gemütlichen Abend, an dem wir uns alle in lockerer Runde besser kennenlernen können. Für einen kleinen Imbiss ist natürlich auch gesorgt. Schon jetzt möchten wir Frau Kleinke-Treeger danken, dass sie uns diesen Abend in Ihrer Wohnung ermöglicht!
Im Land der gestohlenen Millionen – Fahrtbericht vom Oktober 2015
Eine Milliarde Dollar (rund 900 Millionen Euro) sind seit Ende letzten Jahres über Kredite für zweifelhafte Firmen aus drei großen moldauischen Banken verschwunden. Durch den Versuch, die Banken mittels staatlicher Unterstützung zu retten, fehlt dieses Geld nun im Staatshaushalt. Leider war dieser Versuch nicht erfolgreich, so dass die drei Geldinstitute nun abgewickelt werden. Rund 5.000 Beschäftigte verlieren ihre Arbeit und zahlreiche Privatanleger ihr Erspartes.
Oligarchen und ranghohe Funktionäre sollen dahinter stecken, so ein Bericht der amerikanischen Wirtschaftprüfungsgesellschaft Kroll, die im Auftrag der Zentralbank ermittelte. Der größte Korruptionsskandal in der Geschichte Moldaus hat Massenproteste sowohl proeuropäischer als auch prorussischer Kräfte ausgelöst. Das Protestcamp der Demonstranten mit Zelten und einer großen Bühne befindet sich seit vielen Monaten direkt vor dem Parlamentsgebäude im Herzen Chisinaus. Ein langer Atem ist notwendig – und im baldigen Winter zahlreiche kleine Kanonenöfen.
Personalkosten im öffentlichen Dienst und Sozialleistungen werden zwar (noch) gezahlt, aber das Geld fehlt an allen Ecken für notwenige Investitionen. Für unsere Region im Süden des Landes hat das zahlreiche konkrete Auswirkungen. So kann z.B. der Rathausneubau in Chioselia nicht zu Ende gebaut werden und die Gemeinde muss weiterhin hohe Mieten für die privaten Räumlichkeiten bezahlen, in denen sie aktuell untergebracht ist. Im Kindergarten in Costangalia stehen Mittel für den Ausbau der Sanitärräume aus und auch die Gelder für die dringende Reparatur des Schuldachs sind nicht vorhanden.
Neben fehlenden Zahlungen aus dem Staatshaushalt kann das für notwendige Investitionen oftmals auch benötigte Eigenkapital nun nicht mehr bereitgestellt werden. Selbst günstige Anschaffungen können daher im Moment kaum erfolgen. Der Millionenraub hat im Land aber nicht nur eine Finanz-, sondern auch eine Vertrauenskrise ausgelöst. Wurden Politiker vorher schon eher selten als integer eingeschätzt, werden sie es nach dem Millionenraub erst recht nicht. Moldova wird viele Jahre mit den finanziellen und gesellschaftlichen Problemen zu kämpfen haben.
Lichtblicke und Hoffnungsschimmer
Trotz aller Schwierigkeiten und Probleme konnten wir auf unserer Reise aber auch immer wieder Lichtblicke und Hoffnungsschimmer erleben. Um behinderten Kindern und Jugendlichen eine bessere Integration in die moldauische Gesellschaft zu ermöglichen, werden die entsprechenden Kinderheime sukzessive aufgelöst. Die Kinder und Jugendliche werden in privaten Pflegefamilien oder neuen Betreuungshäusern in kleinen Gruppen untergebracht. In Baimaclia wurde dieses Jahr durch das Sozialamt des Kreises Cantemir und die Organisation Keystone ein Betreuungshaus für sechs Bewohner errichtet. Wir wurden angesprochen, ob wir die Baumaßnahme finanziell unterstützen können. Dazu haben wir uns gern bereit erklärt und Beschaffung und Einbau der Heizungsanlage sowie des Wasseranschlusses finanziert.
Zwei Bewohner des Betreuungshauses in Baimaclia
Im September 2015 konnten nun sechs zum Teil mehrfachbehinderte Menschen im Alter zwischen 21 und 27 Jahren einziehen. Sie werden von vier Betreuern im Schichtdienst versorgt. Perspektivisch sollen im Außenbereich Obstbäume, Beete und Kleintiere wie Kaninchen und Hühner den Bewohnern die Möglichkeit einer sinnvollen praktischen Tätigkeit geben sowie nicht zuletzt den täglichen Speiseplan ergänzen. Am 03.12. – dem Tag der Behinderten in der Republik Moldau – wird das Haus offiziell feierlich eingeweiht. Solche Meilensteine stimmen froh und zeigen, dass zumindest im Kleinen eine positive Entwicklung erfolgt.
Unser Sozialzentrum – Ort des Lebens
Unser Sozialzentrum ist ein lebendiger Treffpunkt in Costangalia. 45 Kinder werden hier an fünf Tagen in der Woche betreut. In vier Gruppen kümmern sich engagierte Mitarbeiter um die Hausaufgabenbetreuung sowie um eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung der Kinder. Handarbeits- und Werkkurse fördern deren Fähigkeiten. Bei Sportveranstaltungen haben alle gemeinsam viel Spaß. Die Warteschlange bei der Anmeldung ist lang. Bis zu zehn weitere Kinder warten im Schnitt darauf, in den Genuss der Betreuung im Sozialzentrum zu kommen. Der Bedarf ist da, doch um ihn verlässlich zu decken, müsste weiteres Personal eingestellt werden. Doch dafür brauchen wir dringend mehr regelmäßige Spendeneinnahmen!
Mariana Sinigur, die pädagogische Leiterin des Sozialzentrums
Neben den vielen Kindern besuchen auch alte Menschen das Zentrum. In der Sozialkantine im Haus werden sie mit einer täglichen warmen Mahlzeit versorgt, die sie im Zentrum essen oder mit nach Hause nehmen. Wem der Weg zum Zentrum aus gesundheitlichen Gründen schwerfällt, wird das Essen durch die Sozialhelferin ins Haus gebracht. Aktuell werden 20 Menschen durch die Kantine versorgt.
Aktuelles vom Stipendienprogramm
Wir haben bereits öfter von unserem Stipendienprogramm berichtet. Dabei unterstützen wir junge Menschen nach der 9. Klasse – und damit nach dem Ende der Schulpflicht – eine Ausbildung zu machen. Von zwei jungen Frauen möchten wir hier berichten.
Tatiana: Grundschullehrerin
„Tatiana wohnt jetzt im Dorf links hinterm Wald“ sagt Valeriu. Tatiana ist eine ehemalige Stipendiatin aus unserem Stipendienprogramm, die nach der 9. Klasse der Dorfschule noch vier Jahre das „Colegiul pedagogic-industrial“ in der Bezirksstadt Cahul besuchte. Zusätzlich zu den üblichen zum Abitur führenden Fächern belegte sie den Schwerpunkt Pädagogik, machte nach drei Jahren Abitur und schloss nach vier Jahren mit dem Beruf der Erzieherin das Colegiul ab. Es ist ihr oft nicht leichtgefallen. Jetzt ist sie verheiratet und wohnt mit ihrem Mann bei ihren Schwiegereltern in dem kleinen Dorf Suhat.
Wir fahren eine Straße entlang, links und rechts mit herbstlich gefärbten Walnussbäumen, es geht weiter durch den Wald, eine Biegung nach links und da ist das Dorf. Es sieht aus wie in Märchenverfilmungen mit vielen Gänsen, Pferden, einzelnen Pferdewagen; die wenigen Autos wollen nicht recht ins Bild passen. Dorfkindergarten und Dorfschule sind in einem Gebäude untergebracht. Jetzt am Nachmittag sind die Schulkinder schon weg, im Kindergartenbereich regt sich aber noch etwas.
Da wir unangemeldet kommen, fragen wir uns zu Tatiana durch. Ihre Schwiegermutter, die im Kindergarten arbeitet, kommt uns entgegen und telefoniert Tatiana von zu Hause herbei. Wir haben sie gerade von der großen Wäsche weggeholt. Sie haben zu Hause Gänse, Hühner, Schweine, Pferd und etwas Land für den Eigenbedarf. Es gibt immer viel zu tun auf dem Hof.
Tatiana (rechts) mit Dr. Susanne Naundorf
Und außerdem arbeitet Tatiana in ihrem Beruf. Sie gibt in der Schule Ethik- und Musikunterricht, und in letzterem nutzt sie das Akkordeon, welches ihr ihre Sponsorin aus Deutschland zu Beginn ihrer Colegausbildung zukommen ließ. An zwei Tagen arbeitet sie zudem als Erzieherin im Kindergarten.
In wenigen Monaten wird sie ihr eigenes Kind entbunden haben. Alles läuft gut und wir freuen uns mit ihr.
Rada: Elektroanlagenmonteurin
Rada aus dem Dorf Chioselia hatte nach der 9. Klasse in der Hauptstadt Chisinau die Berufsschule besucht und (etwas frei übersetzt) Elektroanlagenmonteurin gelernt. Jetzt hat sie eine Stelle bei einer deutschen Firma. Letztes Jahr machte sie dort ihr Berufsschulpraktikum und wurde übernommen.
Zu Beginn unserer Projektfahrt treffen wir Rada in einem Park in Chisinau zu einem kleinen Spaziergang. Sie kommt mit ihrer zwei Monate alten Tochter Antonia. Rada ist sehr zufrieden mit ihrer Arbeitsstelle. Das Gehalt sei für moldauische Verhältnisse gut, wird immer pünktlich überwiesen und sogar Überstunden werden prompt bezahlt. Im Moment arbeite sie allerdings nicht, da sie im Mutterschaftsurlaub ist. Da gäbe es vom Staat auch monatlich etwas Geld, dieses ist aber bislang noch nicht gezahlt worden.
Auf unserer Fahrt zurück aus dem Süden des Landes in die Hauptstadt wollen wir uns auf dem Weg zum Flughafen diesen Betrieb mal anschauen, zumindest mal mit dem Auto vorbeifahren (es ist Sonntag). Wir haben die Adresse, ein Navi und den Namen der Firma: Steiner (dachten wir zumindest), müsste doch ganz einfach sein. Aber wo uns das Navi hinführte waren Häuser, ein schöner Park mit Spielplatz, aber keine Firma Steiner.
Wir fragen mehrmals nach, irgendwie kennt man die Firma und schickt uns immer weiter, ein Mann beschreibt sehr ausführlich den Weg, von weitem aus dem Auto heraus geschaut sieht es aus als erkläre er lebhaft in Gebärdensprache. Die Adresse ist zwar richtig, aber zum Betrieb kommt man „von hinten“, muss fast einmal um das Viertel, Richtung Industrieneubaugebiet, in einer Kurve eine Art Feldweg rein, vorbei an einem anderen Betrieb und plötzlich links: STEINEL. Na also, die gibt es wirklich! 2007 wurde hier ein Produktionswerk errichtet für Lichtsteuerung durch Sensortechnik und Heißluftgeräte, alles für den Export. Anfänglich waren es nur sieben Mitarbeiter, jetzt sind es schon über 230. Und eine davon ist Rada.
Mut zu langem Atem
Diese Beispiele machen Mut und zeigen, wie sinnvoll und wichtig unsere Arbeit vor Ort ist. Ein langer Atem ist notwendig, doch zahlt er sich am Ende aus. Es ist Ihr langer Atem, der es uns ermöglicht, all die vielfältigen Projekte anzugehen und umzusetzen. Wir zählen weiter auf Ihre finanzielle und ideelle Unterstützung, um unsere langfristige Arbeit sicher fortführen und ausbauen zu können. Haben Sie vielen Dank dafür!
Dr. Susanne Naundorf & Felix Weickmann
Weihnachtsmarkt im Johannesstift
Alle Jahre wieder steht unser Stand auf dem Weihnachtsmarkt des evangelischen Johannesstifts, Schönwalder Allee 26, 13587 Berlin, und zwar am 1. Advent, 29. November 2015.
Kommen Sie vorbei, genießen Sie die Atmosphäre des Marktes und plaudern Sie mit uns bei einem Cappuccino. Und natürlich gibt es wieder den jährlichen leckeren Akazienhonig aus der Republik Moldau zu kaufen.
Moldovahilfe bei Betterplace.org
Um unsere Arbeit noch mehr Menschen bekannt zu machen, haben wir eine Projektseite bei der Online-Spendenplattform betterplace.org eingerichtet. Auf dieser Onlineplattform können Organisationen um Spenden werben. Sie finden uns dort mit unserem Sozialzentrum und können unsere Arbeit auch gleich direkt unterstützen: www.betterplace.org/p35298
Wir freuen uns, wenn Sie diese Information auch in Ihrem Familien- und Freundeskreis verbreiten.
Vielen Dank!