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Fahrtbericht April 2013

By April 17, 2013Oktober 3rd, 2020Fahrtberichte

Liebe Freunde der Moldovahilfe,

wo sollen wir anfangen, wo aufhören? So ein kleiner Verein, aber so viele Projektideen… Dieser Fahrtbericht ist voller Spendenbitten, und wir haben noch nicht einmal alles aufgeführt, was wir in der nächsten Zeit gerne umsetzen würden. So müssen wir eben Schwerpunkte setzen und hoffen, dass wir möglichst viel finanzieren können. Im Januar wurde das Sozialzentrum in Costangalia „geboren“ – zweifellos der Schwerpunkt des Jahres 2013 für uns. Deshalb wollen wir zunächst ausführlich davon berichten.

 

Costangalia: Unser Sozialzentrum nimmt Gestalt an

Freitag, 8. März: Zusammen mit Rolf Schumacher, der gerade in Aachen den Hilfsverein „MoldovAhha e.V.“ gegründet hat, und Alex Palcu lande ich in Chisinau. Vom Flughafen fahren wir kurz in die Innenstadt und verbringen zwei touristische Stunden. Dann geht’s gleich weiter in den Süden – schließlich liegt eine Woche Projektarbeit vor uns.

Überraschungen in unserem Sozialzentrum in Costangalia

Wir wissen, dass unser Sozialzentrum im Januar die Türen geöffnet hat. Aber wie sieht die Arbeit jetzt konkret aus? – Natürlich ist das Sozialzentrum am Wochenende geschlossen, aber vor lauter Neugierde fahren wir Samstag früh gleich hin.

Vor über zehn Jahren hatten wir das Gebäude als Kindergarten gebaut. Es war eine gute Entscheidung, die vielen Kindern geholfen hat. Jetzt konnten endlich alle Kinder im staatlichen Kindergarten untergekommen, doch dazu später mehr.
Für mich ist es ein komisches Gefühl, durch die leeren Räume zu gehen. Betten, Stühle, Tische, alle Möbel für kleine Kindergartenkinder sind schon ausgelagert. Viel Neues ist aber noch nicht da. In dieser Atmosphäre frage ich mich, ob das mit dem Sozialzentrum wirklich eine gute Idee war.

Der Kinder- und Jugendbereich

Also warten wir bis Montag und schauen uns alles noch einmal bei laufendem Betrieb an. Und: Der Betrieb läuft! Etwa 30 Kinder kommen jeden Tag nach der Schule, unsere Armenküche kocht inzwischen schon für 20 Bedürftige. Es ist großartig, überall im Haus ist was los: Unten essen die Armen, bei einem Handwerkskurs häkeln und stricken ein Dutzend Mädchen zusammen mit einem wackeren Jungen, der pensionierte Schuldirektor bietet dreimal in der Woche Musikkurse an.

Oben versammeln sich die Kinder um eine uralte Tischtennisplatte mit pockennarbenartiger Oberfläche oder spielen Mensch ärgere dich nicht oder Dame. Wir staunen, dass mit so wenig Material so viel Leben in die Bude gebracht wird. Wie soll das erst werden, wenn alle Ideen umgesetzt sind!

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Vielfältiges Angebot: unten basteln…
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…oder oben Dame oder Tischtennis spielen?

Und es gibt viele Ideen: eine richtige Tischtennisplatte (ca. 280 Euro), einen Kicker, für draußen ein Volleyball- und Basketballfeld und für die älteren Jugendlichen zwei internetfähige Computer mit Drucker, deren Nutzung verantwortungsvoll organisiert wird.

Wir merken: Es ist nicht schwer, mit solchen Angeboten Kinder und Jugendliche zu begeistern. Wichtig ist uns, dass besonders die vielen Kinder aus armen Familien dabei sind und im Sozialzentrum Unterstützung bei ihren Hausaufgaben bekommen. Und: Auch für die älteren Jugendlichen wollen wir etwas Passendes anbieten. Mit einem Internetzugang können wir sie leicht „ködern“, aber dabei soll es ja nicht bleiben. Wir denken an gelegentliche Filmabende zu bestimmten Themen, nach denen es noch lockere Gesprächsrunden geben kann.

Unser nächster Gedanke: ein Haufen Arbeit – wer soll das alles machen? Für den Kinder- und Jugendbereich haben wir derzeit zwei Angestellte. Alles schaffen die auch nicht. Hier würden wir gerne noch jemanden mit pädagogischer Ausbildung einstellen. Die Kosten hierfür lägen bei 100-150 Euro im Monat.

Besonders erfreulich ist aber, dass es mit dem Bürgermeister und dem neuen orthodoxen Priester zwei junge Menschen mit Verantwortung im Dorf gibt, die sehr engagiert sind und ihre Mithilfe angeboten haben. So möchte der Priester z.B. eine Arbeit mit Jugendlichen beginnen.

Der Erwachsenenbereich

In unserer Armenküche arbeiten die Köchin Doriana und die Helferin Ileana. Zum Jahreswechsel haben wir das Angebot deutlich ausgeweitet. Statt für 10 Personen wird seitdem für 20 gekocht. Auf der offiziellen Liste der Sozialassistentin des Dorfes stehen übrigens 60 Arme – vor allem Rentner. Deshalb gibt es Rotationssystem, damit alle mal von der Armenküche profitieren.

Wir haben außerdem eine Waschmaschine angeschafft, in der Ileana nun Wäsche dieser Bedürftigen wäscht. Das Angebot wird gut genutzt, alle versichern, dass es eine große Hilfe ist. Nur der Transport der Wäsche nach Hause ist nicht einfach, Ileana erledigt aber auch das.

Aber beim Mittagessen soll es nicht bleiben. Ein Raum des Sozialzentrums wird als Begegnungsort eingerichtet, in dem es die Möglichkeit für gemeinsame Aktivitäten geben wird. Besonders die allein lebenden Älteren freuen sich über soziale Kontakte genauso wie über das Essen.

Unser Zukunftstraum

Essen, spielen, lernen, soziale Kontakte – all das sind Ziele, für die sich der Betrieb unseres Sozialzentrums schon lohnt. Doch wir träumen noch weiter. Das gesellschaftliche Klima in der Republik Moldau ist hart. Bei Vielen führt die Perspektivlosigkeit zu Resignation, Alkoholismus oder Gewalt. Wer dennoch voran kommen will, setzt oft die Ellenbogen ein. Da ist es kein Wunder, dass Rücksichtnahme, Nachbarschaftshilfe und gesellschaftlicher Einsatz nicht weit verbreitet sind.

Wäre es nicht schön, wenn wir die Kinder und Jugendlichen Schritt für Schritt – ihrem Alter entsprechend – zu mehr Verantwortung ermuntern könnten? Ältere können Jüngeren bei den Handarbeiten helfen, Jugendliche können den nicht mobilen Alten Essen nach Hause bringen, vielleicht kann eine Jugendgruppe sogar zu einem kleinen Arbeitseinsatz „ausrücken“ und einem alleinstehenden Alten beim Frühjahrsputz in Haus und Hof helfen – mit einem anschließenden Ausflug in die Hauptstadt Chisinau als Belohnung…

Sicher haben wir uns damit viel vorgenommen. Aber wir wollen eben nicht einfach „nur“ Wohltaten verteilen, sondern Eigeninitiative, Engagement und Verantwortungsgefühl stärken. Und damit kann man sicherlich am besten bei Kindern und Jugendlichen beginnen – schön, wenn dann sogar die Alten davon profitieren würden!

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Die Alten schauen zu…
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…wie die Jungen singen.

Der Anfang ist auch hier gemacht: Wir erleben anlässlich des Weltfrauentages ein Kinderkonzert, bei dem etliche alte Menschen, die unsere Sozialküche besuchen, mit Begeisterung zuschauen. So haben wir uns das vorgestellt…!

 

…und wo sind „unsere“ Kindergartenkinder geblieben?

Voraussetzung für unser Sozialzentrum ist die Tatsache, dass alle Kinder aus unserem Kindergarten nun in den staatlichen Kindergarten gehen können. Warum ist das jetzt möglich geworden? Zum einen gibt es in den letzten Jahren einen spürbaren Geburtenrückgang. Früher haben alle Kinder gar nicht in den staatlichen Kindergarten gepasst. Das ist jetzt anders.

Außerdem hat sich in der Republik Moldau das Sozialwesen auf niedrigem Niveau stabilisiert. Vor zwei Jahren hatten wir zum ersten Mal den Eindruck, dass inzwischen auch in Costangalia der staatliche Kindergarten die Betreuung aller Kinder des Dorfes übernehmen kann. Und: Seit 1 ½ Jahren gibt es mit Vadim Munteanu in Costangalia einen Bürgermeister, der weiß, wie man die spärlich ausgestatteten Investitionsfonds anzapft. So ist es ihm auch gelungen, verfallene Räume im staatlichen Kindergarten wieder nutzbar zu machen und sogar einen Sanitärraum einzurichten.

Der Bürgermeister Vadim hat gleich verstanden, dass unsere Idee eines Sozialzentrums ein großer zusätzlicher Nutzen für sein Dorf ist. Er hat uns dann dabei geholfen, Personal unseres Kindergartens zum staatlichen überzuleiten. So bleiben für die Angestellten Arbeitsplätze und für die Kinder Bezugspersonen erhalten. Schön, dass sich alles so gut zusammenfügt!

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Der Bürgermeister zeigt uns den Sanitärraum
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Ein neu eingerichteter Schlafraum

Es gibt jedoch noch immer Familien, denen die Finanzierung des Elternanteils nicht möglich ist. Für sie übernehmen wir einen großen Teil der Kosten – einen kleinen Beitrag muss aber jede Familie selbst beisteuern.

 

Wie geht’s weiter?

Das Sozialzentrum ist in gewisser Weise eine logische Weiterentwicklung unserer bisherigen Arbeit. Dennoch betreten wir damit auch Neuland. Wir wollen aus Empfängern unserer Hilfsarbeit selbst Helfende machen. In welchem Maß und wie schnell es uns z.B. gelingt, in Jugendlichen mehr Verantwortungsbewusstsein zu wecken, wird die Zukunft zeigen. Gebe Gott, dass es gelingt.

Wenn ich „wir“ schreibe, meine ich damit zunächst uns in Berlin und unsere Freunde und Angestellten in Costangalia. Es wäre für uns eine große Freude, wenn auch Sie als Spender sich dieses „Wir“ zu eigen machen und uns weiterhin unterstützen. Vielen Dank!

Sascha Goretzko

Die stillen Heldinnen…..

….sind Angela Melinte aus Suceava in Rumänien und Tamara Chiosa aus Chioselia in der Republik Moldau. Ohne dass sie dazu offiziell benannt wurden, ohne dass sie dafür eine Bezahlung bekommen und eigentlich auch ohne dass sie mehr Ansehen in ihrer Gemeinschaft haben, gehen sie zu den Armen und Kranken. Beide Frauen sind Krankenschwestern, aber bereits pensioniert. Beiden fallen das flotte Gehen und lange Wege bereits schwer. Und dennoch besuchen sie „ihre Patienten“.

Sie gehen zu den Menschen, die besonders am ungenügend ausgebauten Gesundheitssystem leiden. Zwar besteht ein bedeutender Unterschied zwischen Rumänien, wo bereits große Fortschritte im Krankenversicherungssystem gemacht worden sind, und der Republik Moldau, wo sich noch sehr viel entwickeln muss. Dennoch gleichen sich viele Schicksale: gar nicht krankenversichert, oder die Versicherung trägt nur einen kleinen Anteil der Kosten.

Schlechte Infrastruktur, der Weg zum Krankenhaus ist weit, die Straßen schlecht, die öffentlichen Verkehrsmittel selten, die Fahrtkosten hoch. Tamara und Angela unterstützen durch Anteilnahme, Zuspruch und finanzielle Hilfe. Beide Krankenschwestern erhalten von der Moldovahilfe e. V., also von unseren Spendern, einen monatlichen finanziellen Betrag. Dieses Geld hilft, z. B. um Fahrtkosten, Medikamente und Behandlungskosten oder gar Hilfsmittel zu zahlen – natürlich alles gegen Quittung.

In manchen Fällen bekommt der Patient das Geld auch gar nicht selbst in die Hand, z.B. in einer Familie, wo nicht sicher ist, ob der Familienvater nicht mit dem Geld neuen Alkohol kauft. Stattdessen gehen die Krankenschwestern selbst in die Apotheke und besorgen für die Mutter die Medikamente. Die Dorfbewohner wissen auch, dass sie sich bei Problemen an die beiden Frauen wenden können.

Und da die Ressourcen knapp sind, müssen sowohl Angela als auch Tamara nach bestem Wissen und Gewissen den einen mehr unterstützen und dem anderen vielleicht sogar eine Unterstützung verweigern. Und das ist hart, macht auch die ehrenamtlich tätigen Krankenschwestern nicht glücklich und führt gelegentlich auch zu Anfeindungen.

Die Tätigkeit von Angela und Tamara ist nicht plakativ und dennoch so wertvoll. Angela schrieb uns vor einigen Wochen: „Bitte dankt allen Menschen, die zu dieser Hilfe beitragen. Viele Patienten bitten mich, den Dank an Euch weiterzugeben. Und es gibt etliche, die sich wundern, dass so weit entfernt lebende Menschen anderen helfen, obwohl sie diese überhaupt nicht kennen! Und wisst ihr, was ich manchmal beobachtet habe? Genau diese Sache bewirkt genau so viel wie die Medikamente. Deshalb wünsche ich Euch von ganzem Herzen Gottes Segen!“

Bitte unterstützen sie uns weiterhin mit Geldspenden, gerne auch zweckgebunden: Medizinische Hilfe.

Dr. Susanne Naundorf

Eine besondere Familie

Außen: ein ordentlicher Hof, ein gepflegtes Haus, nichts deutet auf Armut hin.
Innen: eine familiäre Tragödie.

Schon 2011 haben wir von dieser Familie berichtet, die drei Kinder hat. Vadim und Catalin, 15 und 11 Jahre alt, wurden gesund geboren, sind jetzt aber beide aus unterschiedlichen Gründen schwer körperlich und geistig behindert. Eine Heilung ist nach menschlichem Ermessen nicht möglich. Das Nesthäkchen ist 2 Jahre alt und gesund.

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Mutter und Tochter, im Bett links die Oma
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Catalin

Für die Eltern muss diese Situation eine große Belastung sein, die wir Ihnen allerdings nicht ansehen. Sie empfangen uns offen und herzlich, immer mit einem Lächeln auf den Lippen.

Auch ein Großelternpaar wohnt bei Ihnen. Dem Opa wurde schon ein Bein amputiert, die Oma liegt seit einem Schlaganfall gelähmt im Bett. Neben dem kleinen Mädchen gibt es jetzt also noch drei Familienmitglieder, die gepflegt werden müssen und Windeln brauchen. Sehr gerne wollen wir die Familie weiterhin mit 50 Euro monatlich für Windeln unterstützen. Wer dazu beitragen kann, möge sich mit uns in Verbindung setzen oder als Verwendungszweck „Familie Voicu“ angeben.

Sascha Goretzko

 

Zwei Ehrungen

Seit vielen Jahren engagieren wir uns auch in Valea Perjei. Zusammen mit dem Priester Ivan Kovalciuk haben wir dort zuletzt den bulgarischen Kindergarten (die Dorfmehrheit ist bulgarisch) saniert. Aus diesem Anlass hat mir der orthodoxe Bischof Anatolie von Cahul und Comrat am 26. Juli 2012 die Medaille des Heiligen Großmärtyrers Georg verliehen. Da ich zu diesem Zeitpunkt nicht in der Republik Moldau sein konnte, hat Dr. Christian Naundorf diese Auszeichnung entgegengenommen.

Am 13. März 2013 hat mir der Bürgermeister von Costangalia, Vadim Munteanu, im Namen des Gemeinderats die Ehrenbürgerschaft „als Zeichen der Anerkennung der bedeutenden Leistungen für das Sozialwesen des Dorfes“ verliehen.

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Bischof Anatolie, „unser“ Priester Ivan und Dr. Christian Naundorf
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Sascha Goretzko und Bürgermeister Vadim Munteanu

Diese Ehrungen sind selbstverständlich eine große Freude für mich. Klar ist aber, dass sie vor allem eine Bedeutung haben, die über den persönlichen Aspekt weit hinausgeht.

Seit Jahren profitieren sehr viele Menschen von unseren Hilfsprojekten. Es ist ein partnerschaftliches Miteinander: Mit unseren moldauischen Partnern organisieren wir die Projekte gemeinsam und auf Augenhöhe. Dennoch: Das Fundament für diese Arbeit kommt aus Deutschland. Ohne die Bereitschaft vieler Spender, uns ihr Geld anzuvertrauen, läuft nichts. Das wissen auch unsere Partner.

Aus Freude über die Projekte wird schnell Dankbarkeit. Aber wie den Spendern, die alles ermöglichen, danken? Sie sind weit weg und unbekannt.

Wir, die Mitarbeiter der Evangelischen Moldovahilfe Berlin, sind das Verbindungsstück zwischen Geldgebern und den Projektausführenden vor Ort. Diese Aufgabe will ich gar nicht kleinreden, auch ein „Verbindungsstück“ ist sehr wichtig. Aber das Geld, das wir hier sammeln, geben wir weiter, und so gebührt der Dank, den wir jetzt einsammeln, auch Ihnen, den Spendern. Nur zusammen konnten wir das Bisherige erreichen. Nehmen wir den Dank also gemeinsam an!

Sascha Goretzko

P.S.: Wir freuen uns über jede Möglichkeit, für unsere Arbeit zu werben und Spendengelder zu sammeln. Gerne senden wir Infomaterial zu oder kommen zu Infoveranstaltungen – nicht nur im Raum Berlin. Sprechen Sie uns einfach an